Im Rahmen des Projekts PRIN 2006-2008, das unter dem Titel Die Erfahrung des Exils in der deutschen Literatur des 20. Jahrhunderts von Prof. Dolei an der Universität Catania geleitet wird, beschäftigt sich die von Prof. Lucia Perrone Capano koordinierte Zweigstelle in Salerno mit den weiblichen Formen des Exils, der Vertreibung und der Migration im deutschsprachigen 20. Jahrhundert. Innerhalb des ausgedehnten Untersuchungsgebiets zum Phänomen des Exils in den 1930-er und 1940-er Jahren soll anhand der Auswirkungen der Exilerfahrung, die für einige Schriftstellerinnen den Anfang eines neuen Lebens und für andere einen irreparablen Bruch der eigenen Existenz und ein unheilbares Trauma bedeutete, die Diskussion über die weniger bekannte und erforschte weibliche Besonderheit des Exils vertieft werden.
Im virtuellen und offenen Raum der Website will man über Forschung und Unterricht hinaus allen Interessierten die Möglichkeit zum Nachlesen bieten und somit einer für lange Zeit in Vergessenheit geratenen Literatur zu neuem Bekanntheitsgrad verhelfen.
Während des Dritten Reichs mussten schätzungsweise über zweihundert deutschsprachige Schriftstellerinnen ins Exil gehen. Diese Angabe ist jedoch nur ungefähr, denn es gibt eine beachtliche Anzahl von Schriftstellerinnen, deren biographische und literarische Spuren sich nach dem Verlassen des Landes in den Wirren ihres Lebens- und überlebenskampfes ganz verloren haben.
Bei der Beschäftigung mit diesen versprengten Existenzen stöît man bezüglich Leid, Entbehrung, Unterdrückung und Demütigung häufig auf ähnliche Schicksale, doch man trifft auch auf Geschichten der Befreiung und des Neubeginns, auf die Erfindung neuer sprachlicher Formen als Voraussetzung des künstlerischen Ausdrucks der eigenen menschlichen, religiösen oder auch nur ideologischen Existenz.
Im Gegensatz zum heroischen Antifaschismus in vielen Werken männlicher Exilschriftsteller steht hier des öfteren die komplexe Erfahrung einer aus dem Dialog mit dem Anderen, jenseits der historischen Koordinaten und der geographischen Grenzen entstehenden Heimat im Mittelpunkt. Anstatt nationale Identität und Zugehörigkeit zu einem politischen Territorium einzufordern, werden fließendere und offenere Modelle für die Suche nach dem Selbst und dem Sinn vorgestellt und die dualistische Interpretation der Geschichte, die die Ereignisse strikt durch Gegensatzpaare wie Heimat – Exil oder Freund – Feind klassifiziert, wird abgelehnt. Während sowohl das Leben als auch die literarische Praxis zwischen einer engagierten männlichen Produktion und einer auf die subjektiven Erfahrungen des privaten Bereichs begrenzten weiblichen Produktion unterschied, entwickelten sich in letzterer heimlich Formen des Protests und des Widerstands anhand von Schreibstrategien, die die für den männlichen und nicht allein faschistischen Diskurs repräsentativen Rollenbilder, Muster und Gemeinplätze völlig neu erscheinen ließen.
Einzelne Abschnitte führen den Besucher/ die Besucherin durch die Inhalte der Website.
In Lebenswege findet man die Biographien der Schriftstellerinnen mit den wichtigsten Angaben zu ihrem Leben – Bildung, Exil, schriftstellerische Produktion und eventuelle Rückkehr in die Heimat. Von jeder Schriftstellerin gibt es ein vollständiges Werkverzeichnis, dazu eine kleine bibliographische Auswahl und, falls vorhanden, Weblinks und Filme.
Der Abschnitt Echos aus der Fremde bietet eine Auswahl entscheidender Texte der neuen Ästhetik des Denkens und des literarischen Ausdrucks, die als Folge der Entwurzelung aus dem eigenen Vaterland und der eigenen Muttersprache entstanden ist.
Im Abschnitt Wege der Forschung werden im gesamten Verlauf des Projekts hilfreiche Untersuchungsmittel, allgemeine Weblinks, kurze Essais und Kommentare gesammelt, während das Wörterbuch des Exils ein Kompendium von Schlüsselbegriffen darstellt, die sowohl hinsichtlich der allgemeineren Beschreibung der Zeit und des Phänomens des weiblichen Exils als auch bei der spezifischen Beschäftigung mit den einzelnen Autorinnen immer wieder aufgetreten sind.